Unsere Pflegekinderhilfe Die Option veranstaltete am 6. November einen Fachtag zum Thema „Gutes Aufwachsen in binuklearen Familien“. In den Räumlichkeiten des Pflegekinderdienstes der Stadt Hamm nahmen rund 45 Fachkräfte, Pflegefamilien und Eltern an der Veranstaltung teil, die wichtige Impulse für die Zusammenarbeit mit Pflegekindern und ihren Herkunfts- und Pflegefamilien bot und den Blick in eine systemische und unterstützende Haltung mit dem gesamten Familiensystem des Kindes öffnete.
Nach einer Begrüßung durch unsere pädagogische Beraterin Laura Sinne (in Vertretung für Bereichsleiterin Julia Schröer) führte Frau Dr. Katharina Behrend, promovierte Diplompsychologin, systemisch-lösungsorientierte Familienpsychologische Sachverständige, Mitbegründerin des Fachverbandes für systemisch-lösungsorientierte Begutachtung (FSLF) und Referentin, durch den Tag. „Binukleare Familien“ beschreibt ein Modell, das die innere und äußere Lebenswelt eines Kindes durch die wichtigsten zwei Systeme geprägt versteht: das Herkunftssystem und das Pflegefamiliensystem.
Ein zentrales Thema ihres Vortrags war die entwicklungspsychologische Bedeutung von Bindung und Identitätsbildung. Frau Dr. Behrend führte aus, wie sich bindungsstiftende Erfahrungen in den ersten Lebensmonaten in der Persönlichkeit und in zwischenmenschlichen Verhaltensstrategien zeigen. Dabei betonte sie, dass es für Fachkräfte entscheidend ist, Bindungs- und Trennungserfahrungen – sowohl mit der Herkunftsfamilie als auch mit der Pflegefamilie – sensibel zu begleiten und gleichzeitig eine bindungsdynamische Haltung einzunehmen, um neben einem hilfreichen Bindungsmuster auch eine gesunde Identitätsentwicklung zu ermöglichen. Sie hob unter anderm hervor, wie wichtig eine wertschätzende, unterstützende und kindzentrierte Gestaltung von Umgangskontakten ist, da der Einbezug der Herkunftsfamilie in das Leben des Kindes wesentlich zu einem spannungsfreien Kinderleben und einer kindeswohldienlichen Entwicklung beiträgt.
Neben entwicklungspsychologischen Aspekten ging Frau Dr. Behrend auch auf rechtliche Grundlagen der Pflegekinderhilfe ein und stellte zahlreiche Praxisbeispiele vor. Ihre humorvolle und anschauliche Vortragsweise machte die Inhalte greifbar und eröffnete den Teilnehmenden einen handlungsorientierten Zugang zur Arbeit mit Kindern in binuklearen Familiensystemen. Besonders beeindruckend war ihre würdigende Sensibilisierung für die Perspektiven und zahlreichen auftretenden inneren Ambivalenzen der beteiligten Kinder und Erwachsenen.
Im zweiten Teil der Veranstaltung veranschaulichte Frau Dr. Behrend anhand eines Fallbeispiels, in dem ein Kind, welches sein vorheriges gesamtes Kinderleben in einer Pflegefamilie lebte, nach sechs Jahren zu seinem Vater zurückgeführt wurde. Unter dem Motto „Was kann man aus ungünstigen Fallverläufen lernen?“ wurden insbesondere der Fallverlauf, die unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten, die Rechtslage im Hinblick auf die Bewertungsmaßstäbe und damit auch die Fallstricke für die Fachleute sehr verständlich beleuchtet. Summierend wurde festgestellt, dass einmal getroffene Entscheidungen für Kinder, insbesondere die, die mit der Trennung von der Herkunftsfamilie einhergehen, kontinuierlich geprüft und hinterfragt werden müssen – ganz im Sinne der gesetzlichen Anforderungen – um den Interessen der Kinder gerecht zu werden.
Besonders freut uns, dass die wesentlichen Aussagen des Vortrags mit unserer konzeptionellen Erziehungspartnerschaft korrespondieren. Unser Dank gilt Frau Dr. Behrend, Herrn Jakob (Teamleitung Pflegekinderdienst Hamm) und den engagierten Kolleginnen unserer Pflegekinderhilfe Die Option, die diesen gelungenen Fachtag ermöglicht haben.