Eine Projektstelle im Münsterland

Auf ganz unterschiedlichen Wegen sind beide zur Jugendhilfe gekommen. Während sie im Lehramtsstudium merkte, dass sie nicht in Schulen, aber mit Menschen arbeiten möchte, ist er in den Beruf eher reingestolpert. 14 Jahre und 60 Kinder später bietet ihr Hof mit drei weiteren Pädagogen im Team und häuslicher Beschulung eine professionelle Umgebung für pädagogische Jugendhilfe. Die Motivation: Mit Freiheit und eigenen Konzepten Jugendlichen zu einem guten Start ins Leben verhelfen.

 

Erfahrungsbericht

„Pädagogische Jugendhilfe außerhalb des Heims? Ich wusste ja gar nicht, dass es so etwas gibt!“

Er: Als ich das erste Mal gefragt wurde, einen Jugendlichen bei mir aufzunehmen, hatte ich die Landwirtschaft hier bereits größtenteils aufgegeben und bin jedes Jahr ein paar Monate um die Welt gebummelt. Ich wusste damals nicht, ob ich das kann – aber ich dachte mir, ich probiere es mal aus. Der erste Jugendliche blieb 2 Jahre. Um dann weiter zu machen, habe ich nochmal die Schulbank gedrückt und eine pädagogische Ausbildung gemacht. Meine jetzige Frau kam dann über die Pferde auf den Hof, wir wurden ein Paar, und sie hat diese Art der Arbeit hier kennengelernt.

„Hier habe ich die Möglichkeit, mit Kindern kreativ zu arbeiten“

Sie: Genau – ich wusste bis dahin überhaupt nicht, dass es so etwas gibt, selbständig und von zu Hause pädagogisch zu arbeiten. Sonst hätte ich das wohl schon früher angestrebt. Das ist für mich die optimale Lösung. Ich könnte nie in Heimeinrichtungen arbeiten, wo ich mein Bezugskind eventuell mal wochenlang nicht sehe. Hier mache ich meine eigene Art der Pädagogik. Wir haben die Freiheit, Dinge so zu tun, wie wir sie tun, möchten, und das ist solch ein Geschenk! Wellenbrecher koordiniert und begleitet uns fachlich – lässt uns aber genau diese Freiheit.

„Das Leben bei uns ist wie in einer bäuerlichen Großfamilie.“

Sie: Ein Job für jeden ist die Betreuung aber sicherlich nicht. Man muss schon belastbar sein, auch mal wenig schlafen können. Auf der anderen Seite ist vieles, was zwischendrin anfällt, nicht Arbeit im klassischen Sinne – wenn ich mich um unsere Tiere kümmere, beispielsweise. Ich denke, Pädagogik kann nur funktionieren, wenn ich sie mit etwas verbinde was mir am Herzen liegt, worin ich gut bin. Dann kann ich Motivation und Begeisterung vermitteln. Deshalb nehme ich die Kinder oft mit zu den Pferden, binde sie in meine Leidenschaft mit ein. Bei meinem Mann haben die Jugendlichen dafür jeden Tag ungefähr eine Stunde Arbeit gebucht.

Schulze Hauling

Er: Meistens machen wir dann irgendwas mit Holzverarbeitung, für unsere Heizung. Den klassischen Tagesablauf mit Arbeitsbeginn und Feierabend gibt’s für uns nicht. Arbeit wird dann gemacht, wenn sie anfällt. Auch im Zusammenleben ist das bei uns wie in einer bäuerlichen Großfamilie früher: Wir wohnen im selben Haus, und mit wenigen Ausnahmen funktioniert die Gemeinschaft mit Vertrauen und Regeln. Das Ganze beruht auf gegenseitigem Respekt und der Akzeptanz von Bedürfnissen. Das funktioniert auch, weil wir, bevor wir einen Jugendlichen aufnehmen, Berichte bekommen und eine Vorstellung stattfindet. Wir wissen ja, wem wir hier helfen können, und wem eher nicht.

„Man muss die Höhepunkte der Arbeit ganz gezielt wahrnehmen und erkennen.“

Sie: Ein Unterschied zu anderen Berufen ist, dass die Ergebnisse der Arbeit oft nicht so messbar auf dem Tisch liegen. Schulabschlüsse sind Highlights, oder wenn wir ein Kind in die Selbständigkeit entlassen. Aber auch hinter kleinen Sachen kann ganz viel stecken. Das sind seltene Momente, in denen man realisiert, dass da auch was angekommen ist von dem, was man so erzählt und vorlebt.

Er: Diese Momente sind dann aber so gut, dass es einem richtig Kraft gibt für schwierige Augenblicke, in denen man denkt: „Warum kommt der nicht aus den Puschen?!“ Ich hatte früher selbst eine Menge Probleme und habe in einem Generationenkonflikt gesteckt. Und ich war damals froh über jeden, der mir helfen konnte und wollte. Deshalb möchte ich, möchten wir jetzt auch Jugendlichen einen guten Start in ein selbständiges Leben ermöglichen!