In einem Interview stellen wir hier Laura Serra vor, die für uns die eindrucksvollen Illustrationen anfertigt, die das Erscheinungsbild von Wellenbrecher immer mehr prägen werden.

Wellenbrecher: Liebe Laura, nach allem, was wir von Dir wissen, beinhaltet Deine Biografie eine Reihe unterschiedliche internationale Wurzeln und kulturelle Prägungen. Könntest Du uns einen kleinen Einblick darin geben?

Laura Serra: Meine Eltern kommen aus einem kleinen Dorf auf Sardinien: Dorgali, bei Nuoro. Meine Mutter zog schon als Kind nach Lothringen,Frankreich, und mein Vater im Anschluss an sein Priester-Seminar nach Baden Württemberg, wo beide sich später kennen und lieben lernten. Nach ihrer Hochzeit 1976 gingen sie wieder zurück nach Sardinien. Drei Jahre später übernahmen sie aber eine Pizzeria in Kandel, Rheinland-Pfalz, wo ich 1982 das Licht der Welt erblickte.

Mit 18 Monaten nahm ich den Stift in die Hand, so wie die Erwachsenen ihn hielten. Sofort zeichnete ich was auch immer meine ältere Schwester, Sandra, zeichnete und von der Schule damals heim brachte, etwa das Alphabet. Sie saß mir gegenüber und selbstverständlich zeichnete ich alles 180º umgedreht. Also für mich als 2-jährige war das normal, es war nur falsch, wenn sie neben mir saß.

Laura Serra als KindTatsächlich war es so, dass unsere Eltern miteinander und mit ihren sardischen Freunden und Verwandten immer sardisch sprachen. Zu uns haben dann alle italienisch gesprochen, nie sardisch. Wir dachten somit, dass Sardisch die Sprache der Erwachsenen war. Wir verstanden es so oder so, aber sie sprachen seltenst sardisch zu uns – nur wenn’s ernst wurde.
Sardisch war während der Kindheit meiner Eltern in der Schule verboten. Sarden wurden von Italienern während des 2. Weltkrieges und auch etwas danach noch als Menschen dritter Klasse angesehen, und Italien versuchte so, die Kultur und ihre sehr eigensinnige Sprache auszumerzen.
Da meine Mutter ihre Schulzeit in Frankreich erlebte, sprachen sie Zuhause also nur sardisch und französisch. Zu uns Kindern sprach sie, wenn sie uns Nummern und Sachen für die Schule erklären wollte, meistens französisch und unter Geschwistern sprachen wir italienisch und deutsch.
Um das alles zu einem Punkt zu bringen: Meine Schwester, meine Mutter und ich sprechen meistens eine Mischung aus den 4 Sprachen, wobei das Italienisch daraus manchmal eine italienisierte Version eines sardischen oder französischen Wortes ist. Das brachte meinen Vater grandios auf die Palme. Wir sagten begeistert „Wir können Esperanto!”, er dazu “No Desperato” (= hoffnungslos).

Inzwischen lebe ich mit meinem schwedisch-US-amerikanischen Ehemann in Oakland, Nord-Kalifornien. Ich liebe alle Sprachen, aber vor allem vermisse ich die Deutsche Sprache. Ich lese oft nur Englisch, schreibe und rede auch oft nur englisch. Mit meiner Mutter hüpfe ich von Italienisch auf Französisch mit ein paar deutschen Worten. Mit meinem Mann spreche ich nur englisch und seufze auf Deutsch aber fluche auf Französisch. Auch rede ich mit unserer Katze nur auf Französisch mit einige sardischen Worten – was auch immer das Herz hergibt.

Wellenbrecher: Deine professionelle Arbeit wird in nächster Zeit die grafische Handschrift und das äußere Erscheinungsbild von Wellenbrecher wesentlich mitbestimmen. Verbindest Du eine Grundeinstellung, eine Philosophie mit Deiner gestalterischen Arbeit?

Laura Serra: Nicht immer! Die einzige Grundeinstellung, die jede meiner Arbeiten trifft, ist die Liebe zur Arbeit. Schraffuren dauern scheinbar lange, aber ich zähle nicht die Sekunden oder Striche bis ich fertig bin. Selbst nach der Arbeit arbeite ich. Ich schraffiere einfach anderes. Für mich ist es sehr beruhigend!

Laura SerraDer Stil, der von euch gewählt wurde, liegt mir sehr am Herzen. Ende 2006 fing ich mit Skizzen-Fahrtenbüchern an, da mein Weg in die damalige Agentur, für die ich als Grafikerin angestellt war, mit dem Zug 3 Stunden (hin und zurück) dauerte. Jeden Arbeitstag fertigte ich eine Seite an, jeden Abend scannte ich sie und lud sie in einem Forum und in verschiedenen Flickr.com Gruppen hoch. Meine Klecksperimente machten mich in kleinem Kreis berühmt (“Kleckskönigin”, “Kleckstante”), und ich konnte mich sozusagen in meiner künstlerischen Richtung finden. Die Spontanität der Kleckse und die (bis zu einem bestimmten Punkt) Unvorhersehbarkeit der Mischung der verschiedenen Tinten trafen meine Stimmung perfekt. Das gewisse Planen (ca. 20% Inspiration, 80% Transpiration) der Texte, die ich mit Tesa aus Zeitungen abklebte, gab mir eine Art Kontrolle über die Komposition. Das Grafik-Design Studium half etwas bei der Planung und Komposition.

Wellenbrecher: Welche künstlerischen oder technischen Besonderheiten zeichnen die für Wellenbrecher gefertigten Arbeiten aus? Gibt es besondere Herausforderungen in der Produktion?

Laura Serra: Wie gesagt, ich liebe es, Tintenkleckse als Hintergrund zu kreieren. Sie werden gezeichnet und gekleckst, nach dem Trocknen gerichtet und manchmal auch verworfen, weil die Tinte und das verwendete Papier nicht miteinander harmonieren. Es gibt eine Menge Ausschuss – oft schaffen es nur 3 von 10 in die engere Auswahl. Teilweise verändere ich die Farben noch mit Photoshop.

Hier in Oakland fand ich keine deutschen Zeitungen für die „Text-Briefmarken“ im Hintergrund, nur englisch-sprachige und französische. Die guten Deutschen Silben und Ausrufe mit Tesa rauszukleben und sie in sehr vielen großen Seiten ausfindig zu machen, war Teil des Problems und der absoluten Freude. Englische Zeitungen haben wenige „z“, absolut kein „ß“, kein „du”, aber französische schon! Alte Zeitungen haben sogar „ß“! Ach, die Schnipseljagd ist super!

Wellenbrecher: Hat Dir die Zusammenarbeit mit Wellenbrecher ähnlich viel Spaß gemacht wie uns die Zusammenarbeit mit Dir?

Laura Serra: Und ob! Ich möchte eigentlich gar nicht aufhören damit!

Wellenbrecher: Wir danken Dir für das Interview und werden unsere Zusammenarbeit gern auch zukünftig fortsetzen.

Kinderzeichnung Io Bono Laura